Post aus Amerika

Kurz vor Weihnachten haben wir einen Brief von unserem Absolventen Raphael Bechtiger erhalten. Inspiriert von unserem Schüleraustausch mit Vail / USA berichtet er uns von seinem Studium an der Michigan Technological University und seinen Erfahrungen in Amerika:

Raphael Bechtiger (2.v.re.) mit dem Langlauf-Team der Michigan Tech University

Seit Mitte August bin ich nun schon in Amerika, wo ich ein Stipendium an der Michigan Tech University (MTU) in Houghton, MI angenommen habe. Dort führe ich mein Bachelorstudium der Sportwissenschaften weiter und nehme für das Langlaufteam der Universität an Wettkämpfen überall in den Staaten teil. Meine bereits gemachten Erfahrungen haben meine Erwartungen schon jetzt übertroffen. Vieles unterscheidet sich deutlich von Österreich und die andersartigen Eindrücke lassen einen auch die eigene Kultur und Denkweise manchmal ein wenig anders sehen.  Doch wo soll ich anfangen? Vielleicht bei meinem ersten Essen in den Staaten: Nach fast 20 Stunden Reisestress versprach ein McDonald’s Burger am Flughafen in Chicago, der richtige Energielieferant zu sein. Was ich nicht wusste war, dass dieses fettige Ungetüm ein Vorbote für meinen zukünftigen Speiseplan darstellen sollte. Denn auch wenn ich gelegentlich etwas gesunde Raffinesse in den „Dining Halls“ (Mensen) meiner Uni erkennen kann, so beschreibt ein Burger doch viele Charakteristika der amerikanischen Küche: Fett, schnell, viel! So schlimm ist es dann natürlich doch wieder nicht, doch die schiere Größe dieser Dining Halls lässt unsere Stamser Kantine wie den Imbissstand an der Ecke erscheinen. Größe ist auch das A und O beim Thema Supermarkt. Ein Besuch bei Wallmart ist ein Abenteuer für sich und auch wenn man nur für sich selbst einkauft, erscheint der Einkaufswagen groß genug zu sein, um eine Großfamilie zu versorgen. Auch auf akademischer Ebene unterscheiden sich unsere beiden Länder. Nach einem Jahr in großen Vorlesungssälen in Innsbruck werde ich hier in Houghton wieder in meine Schulzeit zurückkatapultiert – mit allem was dazugehört: Kleine Klassen mit wenig Studenten, Hausaufgaben, Gruppenarbeiten, Tests unter dem Schuljahr… Wenngleich dies auch ein Mehr an Aufwand bedeutet, finde ich mich sehr gut in diesem System zurecht und erfreue mich am praktischen Bezug dieser Uni, die uns schon jetzt selbst Studien formulieren, durchführen und auswerten lässt. Der Sport ist vergleichbar mit Stams, obwohl hier natürlich nur ein Bruchteil der Studenten Athleten sind. Es wird versucht, das nachmittägliche Training in den Uni-Stundenplan zu integrieren und es wird zusammen mit dem Team absolviert. Wenngleich der Grundtenor etwas mehr „laid-back“ ist, herrscht eine positive Arbeitsmoral im Team, was es sehr angenehm macht, mit dem Team zu trainieren und zu reisen. Was, wie ich festgestellt habe, sehr wichtig ist, denn Reisen in Österreich ist wohl nur die kleine Schwester von dem, was hier als Reisen angesehen wird. Autofahrten in der Heimat sollten für mich nun kein Problem mehr sein, habe ich doch bereits einmal eine 24-stündige Anreise zu einem Trainingskurs hinter mich gebracht. Auch zu Rennen wird mal schnell 5 Stunden in eine Richtung am Renntag gefahren, nur um am nächsten Tag wieder ins Auto zu hüpfen. In Amerika ist eben alles ein bisschen „bigger“. Das zeigt sich auch im Collegesport. Während dieser in Österreich gar nicht erst existiert, sind College-Athletes hier landesweite Stars. College-Football wird in Stadien gespielt, die mehr als 3x so viele Besucher fassen wie das Stadion des FC Red Bull Salzburg und außerdem live im Fernsehen übertragen. Stellen Sie sich Armin Assinger vor, der bunte Linien auf den Bildschirm seiner Ski Analyse zeichnet, multiplizieren Sie dies mit der Kamerapräsenz des Neujahrskonzerts und würzen Sie das Ganze mit einem Rahmenprogramm, das selbst den Skiweltcup in Kitzbühel in den Schatten stellt und Sie erhalten den ganz normalen Wahnsinn einer Standard Football Übertragung. Für jemanden aus Europa definitiv sehenswert, vor allem vor Ort, wo eine ganze Stadt eine Party veranstaltet, die die EURO 2008 in Innsbruck wie ein verblasstes Abziehbild erscheinen lässt. Und noch immer habe ich kaum etwas von Amerika gesehen. Auch deshalb fliege ich nächste Woche nach Vail wo mich netterweise ein Freund eingeladen hat, „Christmas“ mit ihm zu feiern. Die Fotos der Alpinen die diesen Ort vor Kurzem besucht und Fotos auf die Stamser Homepage gegeben haben, sehen doch schon sehr vielversprechend aus, was auf nette Semesterferien hoffen lässt. Ja, bei mir sind schon bald Semesterferien. Davor gilt es jedoch noch, die „Finals Week“ zu überstehen, also die Woche der Abschlussprüfungen. Deshalb verabschiede ich mich jetzt besser und klemm mich vor mein Skriptum…